Mrz 172013
 

Heute Mittag um 12:00 Uhr gibt es eine Lesung der Autorengruppe Eulenfeder im Michel Mort. Das Michel Mort ist ein Hotel am Eiermarkt in Bad Kreuznach. Dort machen wir ca. vier Mal im Jahr einen Literatur-Brunch. Von 12:00 bis ca. 12:45 Uhr kann man brunchen. Die Kosten dafür sind 12,50 €.  Es gibt leckere, frische Brötchen, Croissants, verschiedene Wurst- und Käsesorten, Tomate-Mozarella, Joghurt, Müsli, Rührei, warme Wiener, Tee, Kaffee, Saft, Wasser und leckeren Kuchen. Frisch gestärkt hört man dann jungen, aufstrebenden Autoren zu. Ich lese heute meine Geschichte Farida, die in der Anthologie Nachtfahrt erschienen ist. Da ihr aber wahrscheinlich nicht anwesend sein könnt, dürft ihr diese Geschichte von mir hier im Blog lesen.

Farida

Farida sieht sich noch einmal um und verabschiedet sich von allen. Sie winkt und lacht, die letzte Spätschicht für diese Woche ist zu Ende.

23.00 Uhr.

Jetzt nur noch die etwas mehr als dreißig Kilometer nach Hause fahren und dann ins Bett kuscheln. Zwei Tage frei, nach den sieben Tagen Arbeit hat sie sich die redlich verdient.
Es ist düster draußen und regnet leicht, als sie in ihr Auto steigt. Hier, in der Stadt, sind alle Straßen hell beleuchtet, aber als sie am Stadtrand ist, wird es dunkler.


23.10 Uhr.

Raus aus der Stadt, endlich keine Ampeln mehr. Es sind einundzwanzig, irgendwann hat sie die einmal gezählt. Nachts sind aber zum Glück etwa die Hälfte davon ausgeschaltet. Auf dem ersten Kilometer begegnet ihr ein Laster. Dann ist sie allein. Weder vor, noch hinter ihr ist irgendwo ein Licht zu sehen.
Bevor Farida zum ersten Dorf kommt, läuft ein Fuchs über die Straße. Sie bremst scharf.


Zum Glück nichts passiert, hörbar atmet sie auf.
In diesem Dorf ist die letzte Ampel auf ihrem Weg nach Hause. Die ist immer rot, aber Farida weiß, wenn man langsam und gleichmäßig heranfährt, springt sie automatisch auf grün.
Sie gibt wieder Gas, will nur schnell heim.
Die Straße ist dunkel, der nasse Asphalt schluckt fast das ganze Licht ihrer Scheinwerfer.
In den Dörfern, die sie passiert, brennt nur vereinzelt Straßenbeleuchtung. Die Schranke am Bahnübergang ist heute offen. Farida glaubt die hätte sich gegen sie verschworen, weil die Schranke immer zu ist, wenn sie dort lang fährt.
Sie schaut auf die Uhr im Armaturenbrett vor sich:

23.27 Uhr.

Komisch, sonst fährt um diese Zeit hier ein Zug durch.
Sie verlässt das Dorf – wieder auf der dunklen Landstraße.
Plötzlich erschaudert Farida. Dort wo sonst die Rehe ihr Nachtmahl halten, sitzt heute ein Fuchs.
Er blickt sie direkt an und sie meint, er würde grinsen.
„Ich blöde Ziege!“, schimpft sie vor sich hin und erschrickt im gleichen Moment –
ein Schatten am Rand ihres Blickfelds. So schnell wie er da war, ist er wieder verschwunden.
Der Schreck sitzt tief, sie zittert leicht und ist wieder hellwach.
Rechts, in einem Wäldchen, sitzt erneut ein Fuchs auf seinen Hinterbeinen und schaut sie an, fast wie eine Katze sitzt er da, den buschigen Schwanz um die Pfoten geschlungen.
Ein plötzliches Geräusch lässt sie zusammenzucken.
Wasser spritzt mit voller Wucht an den Unterboden des Fahrzeuges.
Sie dreht das Radio auf. Die Bässe dröhnen und hämmern in ihrem Kopf. Bloß nicht nachdenken! Schnell nach Hause ins Bett und diese Nacht einfach vergessen!

Farida zittert leicht, stellt die Heizung höher. Auf dem kurzen Weg durch den Wald sieht sie überall Rehe und Füchse. Es ist, als hätten sich alle verabredet in dieser düsteren Nacht.
Ein erneuter Adrenalinstoß durchströmt sie.
Sie fährt nur noch Schrittgeschwindigkeit. Bloß keinen Wildunfall! Das fehlte noch. Erst die Polizei und dann irgendwo den Förster anrufen, nein danke!
So etwas passierte in der letzten Spätschichtwoche. Sie war zu schnell gewesen und konnte nicht mehr bremsen.
Der Fuchs wurde vollkommen zerfetzt von ihrem Auto, es fröstelt sie noch immer, wenn sie nur daran denkt.
Farida atmet auf als sie endlich am nächsten Dorf ankommt.

23.35 Uhr.

Nur noch zehn Kilometer, dann ist sie zu Hause. Noch immer wundert sie sich, dass sie scheinbar als einzige heute Nacht im Auto unterwegs ist.
Nach diesem Dorf kommt kein Wald mehr, nur freies Feld. Aber auch dort sieht sie Füchse und Rehe in großer Zahl.
Auf einmal bewegt sich rechts etwas, etwas großes Weißes erhebt sich …
Kommt auf sie zu!
Sie bremst scharf und steht.
Ein Stück Zeitung fällt vor der Motorhaube zu Boden – wohl durch den Wind bewegt. Unwillkürlich schaut sie auf die Uhr:

23.40 Uhr.

Farida steht der Schweiß auf der Stirn.
Sie redet sich selbst Mut zu: „Komm, Süße, nur noch fünf Kilometer, dann hast du es geschafft!“.
Sie gibt wieder Gas und fährt weiter, ins nächste Dorf, das letzte vor ihrem. Dort ist es heller als in denen zuvor, wahrscheinlich, weil jede Straßenlampe brennt. Ihr Atem und ihr Herzschlag normalisieren sich.
Als sie das Dorf verlässt sieht sie die Lichter von Zuhause.
Freudig gibt sie etwas mehr Gas …

und da passiert es …

sie sieht einen Schatten auf dem Beifahrersitz …

Stunden später, als die Polizei die Unfallstelle geräumt hat, erzählen sich die Nachbarn: Farida hatte schlohweißes Haar und war ins Lenkrad verkrallt.
Man musste es abmontieren um sie aus dem Auto in den Leichenwagen zu heben, und überall im Auto fand man Haare – vermutlich die von einem Fuchs.


Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen.
Liebe Grüße

cat

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